Damit sich die Vergangenheit nicht wiederholt

Krystyna Budnicka spricht beim Zeitzeugenprojekt in Hofheim
– die Fotos oben und in der Mitte stammen von der Pressestelle des Bistums Limburg

Am 07.02.2020 war der Q4-Jahrgang des Gymnasiums Taunusstein in der Lage im Zuge der Zeitzeugenprojekte des Bistums Limburg in Kooperation mit dem Maximilian-Kolbe-Werk mit einer Überlebenden des Warschauer Ghettos in Kontakt zu treten. In Hofheim erzählte die 88-Jährige Krystyna Budnicka den Schülern von ihren persönlichen Erlebnissen und Erinnerungen. Dabei schildert sie einprägsam und sehr klar, wie sie durch den Nationalsozialismus ihre Familie verlor und als junges Mädchen die Gefahren erlebte. Von den neun Familienmitglieder hat sie als einzige den Holocaust überstanden. „Ich will euch zeigen, was der Mensch dem Menschen antun kann“, so die Zeitzeugin. Obwohl sie die älteste Zeitzeugin vor Ort war, übermittelte sie ihre Geschichte und ihre Nachricht an die Jugendlichen voller Kraft. Sie bezeichnet sich selbst nicht als Helden, da „[sie ihrer Meinung nach] nichts Bewegendes gemacht [habe]“. Sie bittet jedoch, „nicht gleichgültig [zu sein]. Die Zukunft ist von euch abhängig, damit die Vergangenheit sich nicht mehr wiederholt“.

Im Zeitraum vom 04. bis 13. Februar wurden insgesamt fünf polnische Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Polen eingeladen, um verschiedenen Schulklassen bzw.- jahrgängen dieses Erlebnis zu ermöglichen. Dieses Projekt soll im Mai im Priesterseminar Limburg wiederholt werden.

Die Befreiung des Konzentrationslagers von Auschwitz durch die Rote Armee jährte sich kurze Zeit vorher am 27.01 zum 75. Mal. So konnten die Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums Taunusstein diesen Gedenktag aus einer ganz anderen Perspektive als aus dem Unterricht wahrnehmen und im Gedächtnis bewahren.

Das Leben von Krystyna Budnicka

Mit der Umsiedlung von Budnickas Familie und 350.000 weiteren Juden in das Warschauer Ghetto beginnt Budnicka ihre Geschichte, als ihre Mutter verkündet, sie zögen um.

Im Ghetto ändern sich die Lebensumstände der Familie drastisch. Hier sind Hungersnot, Hygienemangel und die schnelle Verbreitung von Krankheiten an der Tagesordnung. Als besonders erniedrigend empfindet Budnicka das Aufzwingen des Judensterns, der sie und ihre Angehörigen als minderwertig kennzeichnen soll.

Trotz dieser schlechten Bedingungen geht es Budnickas Familie verhältnismäßig gut, da ihr Vater als Tischler mit der Hilfe ihrer älteren Brüder genug Arbeit findet, um die Familie zunächst ausreichend zu versorgen.

Den Befehl der Nazis, ihnen alle Wertgegenstände der jüdischen Bürger auszuhändigen, ist Budnicka in besonderer Erinnerung. Ihre Familie beginnt Möbelstücke mit Geheimfächern anzufertigen, welche es ihren Mitmenschen ermöglichen sollen, Wertgegenstände zu behalten.
Doch viele finden anders als Budnickas Familie keine Arbeit innerhalb des Ghettos und leiden enorm unter der Unterversorgung von ihnen und ihren Familien.

Mit der Verkündung angeblicher Arbeitsstellen werden Verzweifelte zu Großtransporten gelockt, die sie zu neuen Arbeitsplätzen bringen sollen. Stattdessen werden sie direkt in die Gaskammern deportiert. Als einem Betroffenen die Flucht gelingt und die Nachricht sich verbreitet, dass Freiwillige statt Arbeit der Tod erwartet, meldet sich niemand mehr für die Transporte. Die Nazis beginnen daraufhin mit Hausdurchsuchungen. Ihre Fabrik musste am Laufen gehalten werden, erklärt Budnicka dieses brutale Vorgehen.

Diesmal reagiert Budnickas Familie, indem sie anfängt auch Geheimverstecke für Menschen zu installieren.

Überall fangen die Leute nun an Bunker unter ihren Häusern auszubauen, Budnickas Familie mit einer selbstgebauten Kaminkonstruktion. Als die Aufstände im Ghetto beginnen, bei welchen Budnickas Brüder sich im Widerstand beteiligen, ist ihre Familie gezwungen sich im Bunker zu verbarrikadieren. Während sie sich mit wenigen Vorräten hier versteckt halten, brennen die Nazis über ihnen alle Häuser und Wohnungen des Warschauer Ghettos ab.
Als zwei ihrer Brüder es nach fünf Monaten wagen, den Bunker zu verlassen,werden sie sofort erschossen, die Nazis haben entgegen der Hoffnung das Warschauer Ghetto noch nicht verlassen.

Über die Kanalisation besteht eine Verbindung zum arischen Polen, über welche die Familie nun versucht, Hilfe zu erlangen.

Einem Bruder gelingt es, Kontakt mit Helfern für Juden der arischen Seite aufzunehmen, woraufhin die Familie sich auf den Weg durch die Kanalisation zu einem vereinbarten Gullideckel macht. Als dieser sich nicht öffnen lässt, geht Budnicka mit ihren zwei älteren Brüdern weiter zum nächsten, ihre Eltern und ihre Schwester sind zu erschöpft. Ihre Eltern, von denen Budnicka sich zunächst nicht trennen will, reden ihr gut zu, ,,alles wird gut!“ Es ist das letzte Mal, dass sie sie sieht.

Nach neun Monaten unter der Erde gelangen Budnicka und ihre zwei Brüder endlich ins Freie. Zwei Wochen darauf stirbt ihr jüngster Bruder aufgrund einer Vergiftung. Er war auf der Flucht in das dreckige Kanalisationswasser gefallen.

Ihr älterer Bruder wird von einer Organisation aufgenommen, durch welche er Asyl bei einem Mann gewährt bekommt, dessen Sohn in kurz darauf verrät, in dem vollen Bewusstsein, dass dies sowohl für seinen Vater als auch für Budnickas Bruder den Tod bedeutet. Beide werden erschossen.

Budnicka verbleibt so als letzte Überlebende ihrer Familie.

Ein Betreuer vermittelt sie an eine katholische Organisation, die nicht über ihren Glauben informiert ist. Hier bleibt sie bis zu ihrem 20. Lebensjahr.

Wir möchten uns hiermit bei Krystyna Budnicka und dem Bistum Limburg für eine solch großartige Gelegenheit herzlich bedanken. Damit sich die Vergangenheit nicht wiederholt!

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