Leistungskurs Kunst – Studienfahrt nach Berlin

Kunst_LKSechs Tage, Übernachtung mit Frühstück. Hotel nahe Ku´Damm, Bhf Zoo, alter Westen, heute nicht mehr die Zentrale, da muss man rüber nach Mitte, Prenzlauer Berg, Kreuzberg usw., aber alles schön neu und aufgeräumt, braucht man keine Angst mehr um die Kinder zu haben. KaDeWe ist auch nur fünf Minuten entfernt, Lebensmittelabteilung muss man gesehen haben, Tim Uhl und ich treffen dort morgens, zu noch menschenleerer Stunde, auf Blixa Bargeld (Wurstabteilung), schauen uns alle drei kurz erkennend an und gehen wieder auseinander, guter Anfang der Woche. Wochenkarte für U-/S-Bahn zu € 28,80 und los geht’s.

Montags haben die Museen und Frisöre geschlossen, wir fahren nach Kreuzberg (SO 36 – gibt auch SO 61, um die Bergmannstraße, Marheinikeplatz mit der Markthalle, aber da waren die Schüler noch nicht, fürs nächste mal unbedingt vormerken!), Oranienstraße, das alte „linke“ Viertel, türkischen Läden, alternative Szene, gefällt nicht jedem, aber ich denke: muss ja auch nicht, gibt noch mehr, für jeden etwas dabei, sollte man aber alles mal gesehen haben, mein Hintergedanke: die brauchen erstmal Impulse, etwas, wo sie dann selber, auch abends, abseits von der Tourifalle Ku´Damm, hingehen und in Kleingruppen weiter forschen können. Berlin ist ziemlich groß, also: früher (durch Wohnaufenthalt in B.) erworbene Kenntnisse und Tipps reaktivieren und anbieten, Abkürzungen gegen zielloses Herumirren. Lernen von den Alten. Am Görlitzer Park machen die ersten schlapp und wollen zurück in den Westen, meinetwegen, der Rest fährt weiter nach Prenzlauer Berg über Spree und Alex, überirdisch mit der S-Bahn, gibt’s ne Menge zu sehen, bekommt man einen Eindruck von zusammenwachsendem Osten und Westen. Habe ich schon erwähnt, dass während der ganzen Woche FANTASTISCHES Wetter herrschte? Sei hiermit verzeichnet (bis zu 25 Grad – im Oktober!). Prenzlauer Berg, Kastanienallee und Oderberger Straße, (auf ehemalige Wohnung gezeigt, unten „Kauf Dich glücklich“ – Eiscafé und SecondHand), die kleinen unkonventionellen Läden und Cafés und die Atmosphäre sind ein Erfolg bei den Verbliebenen und immer wieder die Sonne, das Wetter. Das Konzept scheint aufzugehen, denn für den Lehrer ist die Stadt der eigentliche Star, die er den jungen Menschen nahebringen will. Da freut er sich.

Am nächsten Tag, Dienstag, Führung Alte Nationalgalerie mit älterem enzyklopädisch präpariertem Menschen, der: fast schon „zu“ gut, denn wir hängen nach einer halben Stunde immer noch im Eingangsbereich (die Führung soll eine Stunde dauern). Nach zwei Stunden ist dann endlich Schluß, dann reichts auch, trotzdem gut (Caspar David Friedrich! –großes Wiedererkennen, guter Effekt, planbar, gehört in jede Trickkiste eines Lehrers). Der restliche Tag ist frei. Ich glaube an dem Tag waren auch einige in Hohenschönhausen zur Führung im ehemaligen Stasigefängnis mit der PoWi-Truppe um Herrn Uhl. Mittwochs zwei Museumsbesuche, weil die direkt nebeneinander liegen: Neue Nationalgalerie und Gemäldegalerie. Die Führung in der Neuen Nationalgalerie übernimmt eine junge Kuratorin des Museums mit belgisch-französischem Akzent, deren durch ausdrucksstarke Gestik und Mimik gestützten Erläuterungen und ihre ganze Art bei allen den bis zuletzt ersten Platz unter den Museumsleuten einnehmen wird. Die Frau ist goldrichtig, so lebendig, „urban und Berlin“, will man nicht auch ein bisschen so sein, als mögliches rolemodel oder so für die Zeit nach dem Abi; so denke ich beim Blick auf meine (etwas stille) Truppe. Berlin ist schon anders als Taunus und Wiesbaden; so könnte Leben aber auch gehen. Stadt und Personal als Vorschlag. Studienfahrt als mentale Chiropraktik, als Lockerungsübung. Gemäldegalerie wird schnell abgehakt, da gibt’s nur Audio-Guides von denen wir alle ähnliche Meinungen teilen: von naja bis dünner Kaffee. Die Gemälde sind natürlich klasse, aber die schiere Masse verursacht auch leicht Kopfschmerzen bei den Novizen, die Perlen: Rembrandt, Tizian, Caravaggio muss man kennen und dann suchen. Zuviel.

Donnerstag sind wir schon morgens im Hamburger Bahnhof (Museum für zeitgenössische Kunst), lehrreich, anspruchsvoll und auf mehreren Ebenen werden die Bilder und anderen Arbeiten vom uns zugewiesenen Experten zügig decodiert. Aber, der Mann will mehr: Mitdenken und Mitarbeit und zwar pronto, was sich für ihn als frustrierend und für uns als peinlich erweisen wird, ebenso pronto. Während schnell klar wird, das kein einziger Schüler mehr weiß wie Andy Warhols oder Joseph Beuys´ ikonische Konterfeis aussehen (wenn sie mit deren Riesenportraits konfrontiert werden) (überraschend, denn obwohl Kunst „nach `45“ erst in Q4 kommt, hatte man auf den Bildungsauftrag der Medien gesetzt) wird die Ehre der Gruppe später auf spektakuläre Weise von Sophie Schäfer gerettet, die nicht nur weiß, wer Lillith war, sondern sich auch mit Ovids Metamorphosen auskennt und schließlich korrekt ergänzen kann, dass die Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. stattfand; Demonstration Lesen gegen das Vergessen, die alte Kulturtechnik gewinnt gegen PRO7RTLSAT1.

Freitags sind die Schülerinnen und Schüler in Reichsstag und Abgeordnetenhaus (von Tim Uhl geplant), dazu bedarf es Voranmeldung und das Vorzeigen eines gültigen Personalausweises. Die Sicherheit… Davon beeindruckt gesteht der Lehrer seinen Ausweis nicht dabei zu haben und um die Sicherheit des hohen Hauses besorgt geht er gar nicht erst mit und muss den schönen Tag versuchen anders zu verbringen. Was gelingt! Später erfährt er, dass doch nicht nach dem Perso gefragt wurde. Seitdem denkt er über die Sicherheit des hohen Hauses nach..

Wie wars? Klasse, würde ich jederzeit wiederholen, die Hotels sind heute keine Jugendherbergen mehr, sondern entsprechen gutem Hotelstandard, in Berlin gehören um die zwanzig Museen zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz, unter anderem alle von uns besuchten, eine e-mail für alle Besuche regelt die Anmeldung, SchülerInnen haben freien Eintritt (Führungen kosten pauschal 30 Euro), die Qualität der Führungen ist exzellent und vorbildlich, die leichte Überforderung eingeschlossen,, meldet man sich als Leistungskurs an, werden die SchülerInnen ernst genommen, da haben wir schon schwächere Vorstellungen in der näheren Umgebung erlebt. Die Schülerinnen und Schüler haben sich als selbstständig und vertrauenswürdig erwiesen. Die können schon gut „alleine gehen“. Reisen bildet. Dem Lehrer ging in Berlin für fünf Tage „das Herz auf“. Stadtluft macht frei. Berliner Luft, wohlgemerkt. Keine Klagen, nur Lob.

Frank Michael Schwieder

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