Weltpolitik, Warlords und Wehrpflicht: 13er-Kurse bekamen Besuch von Afghanistan-Experten

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Die Schüler der Jahrgangsstufe 13 erlebten am Montag Unterricht in ungewöhnlicher Form: Sie wurden von einem Jugendoffizier der Bundeswehr und einem Personenschützer mit Afghanistan-Erfahrung besucht. Bei der Veranstaltung bekamen sie einen gänzlich neuen Einblick in die Problematik des Landes, in dem die Bundeswehr seit 2001 ihren derzeit umfangreichsten Einsatz durchführt.

Herr Franzen, Beamter beim Bundeskriminalamt, war ein Jahr in Afghanistan, um deutsche Diplomaten zu beschützen. Er eröffnete die Veranstaltung mit einem Blickwinkel auf Afghanistan, den die Schüler im PoWi-Unterricht bisher noch nicht eingenommen hatten: Dadurch, dass Franzen ganz gewöhnlich unter den Bürgern Afghanistans lebte, konnte er, untermalt von eigenen Fotografien, das Land mit all seiner Faszination und der Mentalität der Menschen  darstellen.

Ein stolzes Volk
Dabei machte er  deutlich, dass die Afghanen ein sehr stolzes Volk sind, deren nationale Identität vor allem immer noch auf dem Triumph über die sowjetische Besatzungsmacht in den 80er Jahren fußt. Jedoch sei das Land insgesamt kaum als einheitlicher Nationalstaat anzusehen: Letztlich käme den regionalen Warlords eine immense, auch politische Bedeutung zu, welche jeweils in ihren Territorien Macht ausübten. Besonders eindrucksvoll waren hierbei Fotografien, die bei Treffen zwischen dem deutschen Botschafter und einem Warlord entstanden (siehe 2.Foto rechts). Die unendliche Armut, welche die sonstigen Aufnahmen kennzeichnete, wich hier einem prunkvollen Lebensstil. Die Bezeichnung des afghanischen Präsidenten Karzai als „Bürgermeister Kabuls“ sei treffend, da dieser von der afghanischen Hauptstadt aus kaum die Möglichkeit hätte, die Provinzen dieses großen Landes zu beeinflussen. Hier sah Franzen auch ein grundlegendes Problem des ISAF-Einsatzes in Afghanistan: Die Errichtung eines zentralisierten, auf Kabul gestützten Staates, sei kaum zu realisieren.553_Ismael_Khan

Die Situation der Bundeswehr
Der Vertreter der Bundeswehr, Jugendoffizier Hohmann schilderte in seinem Vortrag die grundlegenden Motive der deutschen Sicherheitspolitik. Es herrsche eine neue Bedrohungslage vor: Die Bedrohung gehe nicht mehr wie im Kalten Krieg von Staaten aus, vielmehr müsse man im 21.Jh. von asymmetrischen Bedrohungslagen sprechen, insofern man es mit Terroristen und Partisanenkämpfern zu tun hätte. Afghanistan sei hierfür ein treffendes Exempel: Der Unterschied zwischen der Zivilbevölkerung und dem eigentlichen Kriegsgegner, den Taliban, sei nicht zu erkennen. Auch er wies auf die Bedeutung der Warlords hin: Bundeswehr-Offiziere  verhandelten   deshalb auch  mit ihnen, was im Verteidigungsministerium unter der Bezeichnung „Gesprächsaufklärung“ firmiere.

Kritik an Bundeswehr
Besonders erstaunlich war eine Einschätzung Franzens, dass die Bundeswehr nur unzureichend zur Ausbildung der afghanischen Polizei beitrage. Vielmehr komme hierbei den Amerikanern eine bedeutende Rolle zu; einen Eindruck, den man in deutschen Medien kaum vermittelt bekommt.

Schüler haken nach
Die Schüler nutzten anschließend die Gelegenheit, um den beiden Referenten Fragen zum Thema zu stellen. Dabei ging es etwa um die Legitimität des Einsatzes: Muss eine Armee zur Verteidigung einen Auslandseinsatz im mittleren Osten absolvieren? Hohmann verwies hierbei auf die Tatsache, dass der Afghanistan-Einsatz eine Verteidigung Deutschlands gegen den internationalen Terrorismus darstelle. Zudem verwies er auf die Erfolge im Bereich Entwicklungshilfe und Bildung.

Die Politik muss handeln
Desweiteren interessierten sich die Schüler für die  Möglichkeit einer Exit-Strategie, also den Abzug aus Afghanistan. Franzen kritisierte hierzu die westliche Strategie, immer mehr Soldaten ins Land zu schicken. Bereits heute habe auch die Bundeswehr mit dem Problem zu kämpfen, dass die Akzeptanz in der afghanischen Bevölkerung stetig abnehme. Hohmann wie auch Franzen machten bei dieser Frage deutlich, dass es nicht Aufgabe der Bundeswehr, sondern vielmehr der westlichen Regierungen, also auch der Bundesregierung sei, dieses Vorgehen zu planen und zu verantworten.

Letztendlich brachte die Veranstaltung viele neue Einblicke und Erkenntnisse, wenngleich der Pausengong die Diskussion nicht abschloss, sondern eher unterbrach: Man hätte wohl noch mehrere Stunden fortfahren  können. Doch letztlich geht es den Akteuren bei diesem Einsatz nicht anders: Ebenso wie Schüler und Lehrer-und das war sicher eine Erkenntnis dieses Morgens- stehen auch die Protagonisten der Weltpolitik noch  vor großen Fragezeichen in Afghanistan.

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